Wer nicht am Bildschirm lesen möchte, kann eine gedruckte Version der Erinnyen
Nr. 15 herunterladen und sich ausdrucken. Wir verschicken aber auch eine
Druckfassung (siehe unten).
Editorial
Moral ist für den durchschnittlichen Intellektuellen der
jeweilige moralische Trend, den er bestenfalls wegen seiner Einseitigkeit
kritisiert und als Denkender etwas differenziert. Den Maßstab für das, was
richtig ist, erkennt er früher wie heute in der bestehenden Ökonomie.
In den 70er Jahren herrschte im „Mittelstand“, der
tonangebenden Schicht, Wohlstand und kaum Arbeitslosigkeit. Also konnte man es
sich leisten ein „Gutmensch“ zu sein, sich eine Gesinnungsethik zuzulegen
und sich emotional mit den großen politischen und sozialen Weltproblemen zu
belasten (was man wohl eher den Profis überlassen hätte?). Selbstverständlich
vertrat man einen nachgeholten Antifaschismus, sprach von Emanzipation und
Selbstverwirklichung, sah in Kriminellen Opfer der Gesellschaft und ermächtigte
sich im Pathos des Widerstandes zu allerlei Regelverletzungen. Dazu hatte man
als melancholisches Begleitprogramm den Überdruss am Konsumterror oder setzte
auf das hedonistische Kontrastprogramm der Spaßgesellschaft. In ihrer
Selbstgerechtigkeit stellten beide Strömungen die gesellschaftlichen Regeln
(welche denn?) unter Generalverdacht der Repression. Im Extremfall tendierte
diese gesinnungsethische Gutmenschenmoral zum Größenwahn: „jeder Studienrat
ein Atlas, der das Weltgewissen schultert“.
Dann kamen wirtschaftliche Krisen und Stagnation,
Globalisierung und Arbeitslosigkeit, die auch den „Mittelstand“ traf. Nun änderte
sich allmählich der Trend (hat da keiner nachgeholfen?). Vom Mangel an Benimm
genervt, forderte man (mit den Konservativen!) „Mehr Erziehung wagen“ und
mehr Strenge in der Erziehung. Die alten Normen erschienen im neuen Glanz. Statt
Emanzipation trat eine neue Bescheidenheit. Mangelnde individuelle Verantwortung
war schuld an der eigenen Arbeitslosigkeit, eigene Vorzüglichkeit am Erhalt des
Arbeitsplatzes. Der Moralprediger von heute ist streng fordernd, redet von
Selbstdisziplin, Eigenverantwortung und Härte, von Neidfreiheit, höheres
Risiko und lässt überkommene Normen in neuem Glanz erscheinen. Die Krise des
Kapitalismus wird zum Moralproblem.
Dem Trendforscher, dem wir diese Typisierung entnahmen, ist
ganz einverstanden mit dieser Wandlung des Moralisierens, auch wenn er in der
Strukturkrise nicht nur ein moralisches Problem sehen will.
In unseren Erinnyen Nr. 15
wird man von derartigen Trends und Wandlungen nur am Rande etwas vernehmen. Wir
pochen auf eine autonome Moral, die allererst zu ermöglichen ist, indem den
obigen Tendenzen die Basis entzogen wird. Weder ist Emanzipation und
Selbstverwirklichung in der kapitalistischen Gesellschaft möglich noch hat die
moralische Ideologie von der Neidfreiheit und Eigenverantwortung eine andere
Funktion als die der Verdummung. Wir kritisieren die linkssozialdemokratischen
Illusionen eines Oskar Negt genauso wie eine amoralische Kapitalismuskritik des
„Gegenstandpunktes“. In der Rezension von Matthias Wiards Buch zeigen wir
mit dem Autor die antikommunistische Blockade der DDR-Forschung auf. In der
Rubrik „Geschichte der Ethik“ interpretiert Bodo Gaßmann die Entstehung der
Moral am Beispiel einer materialistischen Interpretation des Dekalogs.
Abgerundet wird diese Ausgabe wie immer mit Aphorismen, die den Sozialabbau
kritisieren und den Terror einmal anders betrachten.
Motto:
Die erste Freiheit einer Zeitschrift ist es, kein Geschäft
zu sein.
Eine gedruckte Version kann bezogen werden
gegen 3,- € über unseren Internet-Shop - siehe rechts
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Auch über den herausgebenden Verein kann die Zeitschrift
bezogen werden, Adresse siehe unten.
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Die „Erinnyen“ werden herausgegeben vom “Verein zur Förderung
des dialektischen Denkens e.V.“ Verantwortlicher Redakteur im Sinne des
Presserechtes und Inhaber der Zeitschrift ist
Bodo Gaßmann.
Die „Erinnyen“ erscheinen im Selbstverlag, u.z. in
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im Internet: www.zserinnyen.de
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ISSN 0179-163X
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