Sahen so in der Antike die Erinnyen aus?                                                                        Herrschft gestern und heute

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Kleines ABC des Klassenkampfes

oder wie der Klassenkampf von oben funktioniert

 

Der Neuwert, den ein produktiver Arbeiter am Tag erarbeitet, kann in Rohprofit und Bruttolohn aufgeteilt werden. Was an Steuern, Sozialabgaben und Versicherungsbeiträgen davon jeweils abgeht, kann außer Acht gelassen werden, denn es geht nur um das ökonomische Prinzip. Senkt das Kapital den Lohn oder erhöht es die Arbeitszeit, dann vergrößert sich dementsprechend der Rohprofit und der Bruttolohn verringert sich. Das ist Klassenkampf von oben. Klassenkampf von unten wäre, wenn die Arbeiter sich z.B. durch einen Streik gegen solche Lohnkürzungen wehren würden. Die gesamte Geschichte der politischen Ökonomie kann als ein Kampf um den Anteil am Neuwert interpretiert werden.

  Wenn die Wirtschaft in einer Stagnation (kaum Wachstum) oder gar Krise (negatives Wachstum) ist, viele Lohnabhängige arbeitslos sind, dann kann das Kapital mehr Druck auf die Beschäftigten ausüben, weil deren Konkurrenz um die Arbeitsplätze wächst. Die  Solidarität der Lohnabhängigen untereinander sinkt. Sie müssen Sozialabbau zulassen. Ihr einziges Mittel aber, das sie gegen das Kapital haben, ist der Zusammenschluss der großen Zahl. Zerprökelt dieser in atomisierte Individuen, sind sie machtlos.

  Umgekehrt. Wenn die Wirtschaft boomt, wenig Arbeitslose vorhanden sind, dann können die  Lohnabhängigen mehr Druck ausüben. Ihre Solidarität wird kaum auf eine harte Probe gestellt, da fast alle Arbeit haben. Ein entschlossen durchgeführter Streik zwingt das Kapital zum Nachgeben, denn es kann seine Aufgabe nicht erfüllen, Profit zu bilden. Ein Streik schädigt das Kapital und kann bis zu seiner Vernichtung führen. Dann allerdings hätten die Arbeiter auch nichts davon, sie wären ihre Arbeitsstellen los.

  Das oberste Ziel der Gesellschaft und ihrer kapitalistischen Ökonomie ist nun nicht etwa der Profit, wie viele denken, sondern die Reinvestition dieses Profits. Ein Unternehmen, das nicht einen größeren Teil seines Profits in neuen Maschinen und neues technisches Know-how anlegt, wird auf die Dauer nicht mehr konkurrenzfähig sein auf dem Markt. Bei Strafe seines Untergangs, d.h. der Vernichtung des Kapitals seiner Eigentümer, muss jedes Unternehmen ständig neu investieren, also seinen Profit in bestimmten Abständen wieder anlegen. Gesamtgesellschaftlich heißt dieser neue Gott „Wachstum“, der zunehmend alle Lebensbereiche bestimmt.

  Der Klassenkampf von oben oder unten muss deshalb auch politisch ausgetragen werden. Die jeweiligen Gegner haben ihre Parteien, welche die Gesetze jeweils zu ihren Gunsten beeinflussen wollen. Da alles von der Wirtschaft und ihrem Wachstum abhängt oder zumindest durch sie bedingt wird, gibt es keinen Bereich des Lebens, der nicht vom Klassenkampf durchdrungen oder eingefärbt wäre.

 

Bewaffnete revolutionäre Arbeiter und Soldaten am 9. November 1918

 Soweit das Prinzip. Wirklicher Klassenkampf aber ist immer der in einer konkreten Situation. Das Besondere der Situation in Deutschland ist es, dass die Lohnabhängigen durch keine Partei mehr vertreten werden, die für ihre ökonomischen Interessen politisch eintreten könnte. In diesem Land und generell in der kapitalistischen Welt besteht ein derartiges Niveau an Produktivität, das viele Menschen gar nicht mehr als Arbeitskräfte benötigt werden (sogenannte strukturelle Arbeitslosigkeit). Das Abwandern aus dem produzierenden in den Dienstleitungssektor kann nicht die arbeitslosen Massen aufsaugen. Das schwächt allgemein die Kampfkraft der Lohnabhängigen, was sich z.B. in sinkenden Mitgliederzahlen der Gewerkschaften ausdrückt. Die herrschende Politik, also fast der ganze Bundestag und die Regierung, betreibt Klassenkampf von oben, der euphemistisch als „notwendige Reform“ propagiert wird. Die Pisa-Studie, die angeblich ein vergleichbar mangelhaftes Niveau deutscher Schüler gegenüber einigen anderen Ländern feststellte, veranlasst die Kultusminister zu bürokratischen Korrekturen des Schulsystems und eine Erhöhung des Prüfungsdruckes, um „den Standort Deutschland nicht zu gefährden“. Insofern ist auch ein relativ geschützter Bereich wie die Schule durch die Schulpolitik Objekt im Klassenkampf. Selektion der Besseren von den Schlechteren.

  Zur Hochform läuft der Klassenkampf von oben in der Außenpolitik des Exportweltmeisters auf. Neben dem üblichen Hickhack zwischen den imperialistischen Staaten, in denen Deutschland schon mal wieder die Muskeln (oder besser die kalte Schulter zeigt), wird der Hauptzweck nicht aus den dem Auge verloren: Die Sicherung der Rohstoffquellen und Handelswege für das deutsche und europäische Kapital, wenn es sein muss auch mit militärischen Mitteln. Wie zu Zeiten des klassischen Imperialismus geht gegenwärtig auf der Erde fast nie die Sonne unter über den Köpfen deutscher Soldaten. Das zu behandelnde Objekt sind die Massen der sogenannten Länder der Dritten Welt. Das deutsche und europäische Peacekeeping soll sie ruhig halten, damit sie das unermüdlich arbeitende Kapital nicht stören ...

 

  So stellte sich im I. Weltkrieg die deutsche Führung ihre Kriegsziele vor.

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„Mehr Verantwortung übernehmen“

 

Der Begriff Verantwortung setzt jemand voraus, der antwortet, sich verantwortet, einer,  dem eine Last aufgebürdet wurde, die er zu tragen hat und für die er Rede und Antwort stehen muss. Auf der anderen Seite muss da jemand sein, der fragt, die Antwort entgegennimmt, eventuell die Aussage akzeptiert, den Verantwortlichen entlastet oder die Antwort als unzulässig verwirft, gar mit einer Strafe als Richter reagiert. Ist die Instanz, an die sich der Verantwortliche  wendet, der Vorgesetzte vom Abteilungsleiter bis zum Kanzler, dann ist Verantwortung ein Teil des Geschäftsbetriebes und steht und fällt mit dessen Kritik. So ist die Last der Verantwortung, die angeblich die Mächtigen haben, meist nur Schwindel. Denn die Folgen  ihrer Entscheidungen tragen die kleinen Leute. So schreibt z.B. die „Rheinische Post“ vom 2. April 2004 über einen Typ deutsche Manager: „In dem Biotop aus Verantwortungslosigkeit tummeln sich angestellte Manager zuhauf, sie verlieren an Bodenhaftung, weil in dieser Gesellschaft mit beschränkter Haftung das größte Risiko für sie darin besteht, mit einer Millionen-Abfindung nach Hause zu gehen.“  Wenn der Staat in der Wirtschaftskrise sparen muss, werden Lohnempfänger arbeitslos; wenn die Betriebe rationalisieren und Leute entlassen, steigen die Aktienkurse. Wenn verantwortliche Politiker Soldaten in alle Welt schicken, um Kriege zu führen („Frieden zu sichern“), dann sterben nicht die Verantwortlichen, sondern die „Helden“ sind die Opfer, die meist aus den unteren Schichten stammen. Die Verantwortlichen dagegen trinken Sekt auf den Sieg oder müssen bei einer Niederlage ihre Pensionen genießen.

  Nun sagen einige Verantwortungsethiker, das Gegenüber des Verantwortlichen soll aber mehr sein als bloß ein Glied der arbeitsteiligen Hierarchie. Man soll Verantwortung für sein Leben tragen, vor den Gefahren von Wissenschaft und Technik warnen, ökologische Katastrophen abwenden usw. Dabei kommt die eigene Familie, das Gewissen und schließlich der liebe Gott ins Spiel.

  Das Gewissen als unreflektiertes ist aber nur die Gesellschaft in mir, d.h. die herrschenden Vorurteile. Folge ich unreflektiert meinem Gewissen, dann laufe ich einem Trend nach, der immer schon der einer Ökonomie ist, die jene Fakten schafft, auf die mein Gewissen allererst anschlägt. Die Familie als Instanz der Verantwortung ist das konservative Argument, mit dem die Lohnabhängigen zur Anpassung getrieben werden. Sie sollen geschickt ihre Arbeitskraft verkaufen, sich in die bestehenden Institutionen einpassen, damit regelmäßig genügend Geld für die Familie vorhanden ist. So eliminiert die Verantwortung für die Familie, isoliert betrachtet, die Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes. Und der liebe Gott ist Glaubenssache, er verpflichtet nur den Gläubigen, meist auch nur zur Anpassung.

  Wenn aber das Ganze das Falsche ist, dann ist die einzige Instanz, vor der ich wirklich verantwortlich bin, meine reflektierte praktische Vernunft, die sagt, ich soll das Bestehende verändern, damit meine Kinder auch in Zukunft überleben können. Das Gerede von der Verantwortung des Einzelnen will aber genau dies nicht bezwecken, sondern setzt immer schon die etablierten Institutionen als verbindlich voraus, es ist eine Ideologie, welche die sozialen Folgekosten des Kapitalismus auf die kleinen Leute abwälzt, um selbst keine Verantwortung zu tragen.

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Bus fahren

 

Am Sonnabend. Jugendliche fahren mit dem Bus zu einer Party. Der Aphoristiker muss ihre lauten Gespräche mit anhören. Es fallen unter anderem die Sätze: „Florida-Jochen ist doch noch gar nichts. Auf Mallorca hat einer zwei Villen und bezieht sowohl aus Deutschland als auch aus Spanien Sozialhilfe, weil er zwei Staatsbürgerschaften hat. Er braucht das Geld, um seine Villen und seine Feten zu finanzieren.“ Die Sprache ist grammatisch bereinigt, der restringierte Kode lesbar gemacht. Stimmungsmache der Bildzeitung über die Eltern ins Bewusstsein von Jugendlichen abgelagert. Sie sind ehrlich empört, wie man es nur vor einer Party bei einer Gelegenheitsunterhaltung sein kann. Die unausgesprochene Konsequenz ihrer eingeflüsterten Rede: Den Sozialschmarotzern muss das Geld gestrichen werden, redliche Arbeit ist doch das Beste. Jeder kann sich und seine eigene Familie ernähren, ohne bei anderen zu betteln oder mit Tricks den Arbeitenden auf der Tasche zu liegen.

   Die publizistische Begleitmusik des Sozialabbaus, welche die bürgerlichen Medien spielen, wirkt in den Köpfen der Jugendlichen. Die mehr oder weniger freiwillig sich gleichschaltende Presse spielt nur einen Ton. Dass gar nicht alle Arbeit bekommen können, dass die Jugendlichen später selbst einmal als gering qualifizierte auf Sozialfürsorge angewiesen sein werden, kommt diesen Jugendlichen gar nicht in den Sinn. Dass Sozialabbau heißt, das selbst erarbeitete Geld wird ihresgleichen vorenthalten, kommt nicht in den Blick. Wenn die Medien zu einem System zusammen schießen, dann ist es kein Wunder, dass sich die geistig wenig geschulten Jugendlichen ideologisch verblenden lassen.  Sie werden derart sich selbst zum Feind.

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    Gründe für den Terror

 

Dass Menschen rebellieren gegen Unterdrückung, Armut, Ausbeutung, Herrschaft und militärische Bedrohung, liegt in der Struktur der heutigen Welt. Dass Religion ein verstärkendes Element dieser Rebellion ist, ergibt sich aus dem Bewusstseinsstand der Massen in den ökonomisch unterentwickelten Ländern. Wenn von 6 Milliarden Menschen auf der Erde 3 - 4 Milliarden in Armut leben und ca. eine Milliarde  sogar unter Hunger leidet, dann wundert es sogar, dass da so wenig Rebellion ist.

  Gegner dieser Rebellion muss zwangsläufig die USA, und nachrangig Westeuropa und Japan sein, weil diese Länder von dem Elend profitieren, welches das kapitalistische System der ganzen Welt aufgezwungen hat, und die USA insbesondere, weil sie militärisch den Globus dominieren. Doch nun zu fordern, nicht nur militärisch gegen den aufblühenden Terrorismus vorzugehen, sondern auch durch soziale Reformen („Hilfe zur Selbsthilfe“) die Lage der Massen in den armen Ländern zu verbessern, also den Terroristen den Nährboden zu entziehen, ist heuchlerisch aus dem Munde von regierenden Politikern, die einer kapitalistischen Wirtschaftsweise das Wort reden.

  Die Industrie in den Metropolen  des Kapitals steht unter dem Zwang zu wachsen, das bedeutet ständig Ausschau nach Absatzmärkten zu halten. Die produzierten Waren haben zu ihrer naturalen Basis Rohstoffe, die nicht alle oder nicht in ausreichendem Maße in den Industrieländern zu finden sind. Wachstum ist vor allem Akkumulation von Kapital. Geld ist aber nur dann Kapital, wenn es angelegt wird. Also die Ausweitung von Absatzmärkten, die Suche nach ergiebigen Rohstoffquellen und der Export von Kapital stellen einen notwendigen Zwang dieses Wirtschaftssystem dar, alle Ecken und Nischen der Erde in den Kreislauf der Verwertung des Werts einzubeziehen. Dabei werden alle schäbigen Mittel von der politischen Erpressung, militärischen Drohung über die Monopolbildung bis zur diskriminierenden Zollpolitik angewandt, um außerökonomische Vorteile in den ökonomischen Beziehungen zu den Entwicklungsländern zu ergattern. Illusionisten des Wirtschaftssystems bekämpfen diese politischen Tricks mit der Forderung nach einem „fairen Welthandel“, wobei „fair“ meint, allein nach den Regeln des Warentausches zu handeln, ohne politische Tricks und Zwangsmaßnahmen. Dies sieht dann so aus:

  Produzenten mit niederer Arbeitsproduktivität tauschen über den Markt ihre Produkte mit hochproduktiven Warenherstellern. Auf dem Markt bildet sich eine Durchschnittsprofitrate heraus, die zur Folge hat, dass der Preis für die Waren, die mit niederer Produktivität hergestellt wurden, fällt, während der Preis für Waren, die mit hoher Arbeitsproduktivität hergestellt wurde, steigt. (Schlimmstenfalls kann der Warenproduzent mit niederer Arbeitsproduktivität seine Waren gar nicht mehr verkaufen.) Die Folge des „fairen“ kapitalistischen Warentausches allein nach dem Wertgesetz, das allem Austausch zu Grunde liegt, ist: Der unterentwickelte Produzent muss einen Teil seines Gewinnes an den entwickelten Produzenten abgeben – allein über den ökonomisch vermittelten Handel, ohne jeden außerökonomischen Zwang. Entsprechend macht das produktivere Kapital einen Extraprofit. Andererseits zwingt  das unterentwickelte Unternehmen seinen Arbeitern Hungerlöhne auf, will es überhaupt noch etwas absetzen. (So sollten im 19. Jahrhundert die schlesischen Weber für eine Quarkstulle am Tag arbeiten, damit der Verleger ihrer Handarbeit mit der englischen Maschinenarbeit konkurrieren konnte – die Weber machten einen Aufstand und wurden von preußischen Soldaten niederkartätscht. Gerhard Hauptmann hat den Weberaufstand später dramatisiert.)

  „Moralisch ausgedrückt bewirkt das Wertgesetz Raub an eingesetzter Arbeit“ (vgl. B. Gaßmann: Ökonomie, Garbsen 1993, S. 69. Dort ist auch eine Modellrechnung erstellt.) Der faire ökonomische Handel zwischen ökonomisch entwickelten und ökonomisch unterentwickelten Ländern vergrößert also den Reichtum der entwickelten Länder mit Extraprofiten und lässt die weniger entwickelten Länder immer mehr verarmen durch den Abfluss von Werten, der sich allein dem Austauschverhältnis im Kapitalismus verdankt. Gewiss ist die Wirklichkeit der einzelnen Länder differenzierter, aber das wirkende Prinzip ist das gleiche. Die Funktionäre des Kapitals wie Busch und Schröder, Schrempp und Ackermann und wie sie alle heißen haben ein Interesse daran, an diesen Verhältnissen nichts zu ändern, sie wollen den Status quo nur befrieden. Und immer wieder erzeugen sie selbst die Rebellion und den Krieg, den sie dann befrieden wollen.

Der Zusammenprall der Kulturen. Frauen aus dem Mittelstand Ägyptens und Europas auf einer kommerziellen Party..

 

  Zwischen den allgemeinen Gründen für den Widerstand und dessen konkreter Ausführung steht aber der Wille von Menschen und ihr Bewusstsein, das den Willen zum Handeln bestimmt. Anzustreben wäre eine vernünftige Weltperspektive, die auf die Abschaffung der kapitalistischen Ökonomie drängt. Ihre Mittel müssten sich an dieser Perspektive orientieren. Stattdessen rebelliert ein verrücktes religiös geprägtes Bewusstsein und macht Terror gegen Unschuldige. Wie die Interessen der konkurrierenden Kapitale immer nur partikular sein können, so auch die der Terroristen. Bin Laden soll 270 Millionen Dollar besitzen, er kommt aus einer reichen Familie, deren Unternehmen er geleitet hat. Er und seine Leute gehören zum kapitalistischen System, auch wenn sie sich auf Gründe gegen das System berufen und damit Menschen mobilisieren. Sein Geld, das auf diversen Banken liegt, wirft Zinsen ab, ist also an der Ausbeutung der Lohnabhängigen beteiligt. Da die Finanzwelt international ist, hat der Anstifter zum Terror in New York und Madrid seine Arbeiter umgebracht. Historisch gesehen fällt er damit hinter die Sklaverei in der Antike zurück. Er behandelt seine Anhänger (Selbstmordattentäter) wie seine Opfer als bloße Mittel wie das Kapital seine Arbeitskräfte. Die geistig verwirrten Djihadisten sind verrückte Antikapitalisten, um ein Wort von Ernst Bloch über die Faschisten abzuwandeln. Letztere haben bekanntlich eher versucht den Kapitalismus zu retten. 

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In solchen Mietskasernen leben die besser gestellten Lohnabhängigen. Den Touristen werden solche Häuser nur durch das Busfenster gezeigt. 

 

  Die Gewaltorgien der Al Qaida sind so betrachtet, Reaktionen auf die Modernisierung der islamischen Welt. Deren Terror ruft Gegenterror des Westens hervor, besonders der USA, der fast wie die Faschisten einen Toten, der durch islamischen Terror erzeugt wurde, mit zehn toten Geiseln (als Zivilisten oder Kolateralschaden) vergilt. Die religiös begründeten Morde aber zerstören die Religion als Rechtfertigungs-, Tröstungs-  und Erklärungsgrund der Welt genauso wie die militärischen Attacken des Westens Begriffe wie Globalisierung, freien Welthandel und pax amerikana als neue Formen des Imperialismus entlarven.

  Insofern Bin Laden und Konsorten ihre Religion zerstören helfen, sind sie ein Motor des Fortschritts  wider Willen. Dass es auch mit weniger Gewalt in das unvermeidbare Schicksal Industriegesellschaft gehen kann, haben andere Länder bewiesen. Japan ist dafür ein ambivalentes Beispiel. Nach der erzwungenen Öffnung ihres Landes durch die USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben die Japaner von sich aus eine Industrie aufgebaut. Politisch hatten sie die Chance die autoritäre Meiji-Verfassung in eine demokratische zu transformieren. Aber dann haben sich die Bin Ladens dort durchgesetzt mit Millionen Toten und sie haben die ersten Atombombenabwürfe erlitten, die zwei Städte vernichteten. Auch der Faschismus lässt sich als falsche Reaktion auf die Modernisierung und  die Widersprüche des Kapitalismus interpretieren. Gegen diese Gräuel ist Bin Laden ein Stümper und kleiner Wicht.

  Es kommt eben immer auch auf die Menschen an, was sie aus ihrer Situation machen. Wenn nicht pakistanische Generäle oder andere Vermögende über die Atombomben durchdrehen, dann wird in ein paar Jahrzehnten kein Mensch mehr über diese Gruppe sprechen. Ihren Opfern nützt dies nichts.

 

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Soziale Fantasie

Oder Träume eines Utopikers

 

Selbst auf dem Höhepunkt der Studentenrevolte konnte man einen Mangel an sozialer Fantasie unter jungen Menschen feststellen, die sonst durchaus progressiv eingestellt waren. Sie traten für Sozialismus ein, konnten aber diese soziale Idee nicht mit ihrer konkreten Wirklichkeit vermitteln - von einigen romantischen Formen des Zusammenlebens einmal abgesehen.

  Stellen wir, der Leser und der Verfasser, uns einmal gemeinsam vor, eine sozialistische Partei hätte 60 % aller Stimmen auf sich vereinigt. Selbst der  Bundespräsident und die Verfassungsrichter  in ihrer Mehrheit wären keine Blockierer. So könnte man eine sozialistische Gesellschaft einrichten, Artikel 14./15. des Grundgesetzes lässt dies zu. Auch außenpolitisch gibt es eine günstige Konstellation. In Westeuropa und den USA sind linke oder doch zumindest sozialdemokratische Parteien an die Macht gekommen, die signalisieren, keine Schwierigkeiten dem Experiment in unserem Land zu machen.

  Die ersten Maßnahmen der neuen Regierung sind die Vergesellschaftung der großen Banken und Konzerne sowie die Einrichtung eines Produktionsparlamentes. Die Konzerne werden nicht verstaatlicht, sonder zunächst in eine Art Gesellschaft des öffentlichen Rechts überführt, sie konkurrieren durchaus weiter gegeneinander, betreiben den technischen Fortschritt, aber richten allmählich ihre Produktion an den Vorgaben des Produktionsparlamentes aus. Dieses wird von den Bürgern gewählt und hat nur eine Funktion: die reflektierte Festlegung der Bedürfnisse und den daraus zu entwickelnden ökonomischen Rahmenplan. In einer Übergangszeit wird zunächst das weiter produziert, was im letzten Jahr an Konsumgütern gekauft wurde, aber bereits in größeren Mengen, da die Kaufkraft vor allem der unteren Einkommen gestiegen ist.

  Der größte Teil des Profits im Kapitalismus wurde wieder reinvestiert, um die neuesten Maschinen anzukaufen, zu rationalisieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dieser ökonomische und technische Fortschritt wird nun auf ein erträgliches und humanes Maß reduziert. Die Produktion ist bereits weit gehend automatisiert, ein paar Sekunden schneller zu sein als die Konkurrenz ist nicht mehr wichtig. Die dadurch frei werdenden Mittel werden an anderer Stelle eingesetzt. Vor allem die sinnlose Aufblähung der Produktionsmittelindustrie, die sich in einer sich selbst tragenden Investitionskonjunktur verselbstständigt hat, wird drastisch reduziert. Nur die Investitionsgüter werden noch produziert, die zum Erhalt und zur Ausweitung der Konsumgüterindustrie benötigt werden und die exportiert werden müssen, um Rohstoffe, ausländische Konsumgüter u.a. benötigte Güter zu importieren. Dabei wird aus Solidarität mit den armen Völkern die ökonomische Hilfe zur Selbsthilfe von heute geforderten 0,7% auf dann tatsächlich 5 % des Bruttoinlandsproduktes erhöht. Schließlich muss auch ein kleiner Teil für den technischen Fortschritt bereitgestellt werden. Bestand die Produktionsmittel-Industrie vorher um die 80 %, so wird sie allmählich auf 50 % reduziert. Diese frei werdenden Mittel werden zur Arbeitszeitverkürzung und zur Ausweitung der Konsumgüterindustrie von 20% auf 50 % genutzt. Denn allgemeiner Wohlstand, d.h. Überfluss an Konsumgütern und mehr freie Zeit machen den Reichtum sozialistischer Gesellschaften aus.

  Zunächst gab es Problem mit den freigesetzten Arbeitskräften. Diese wurden aber von der neuen Konsumgüterindustrie aufgesaugt und eine Übergangszeit der Arbeitslosigkeit wurde mit einer Lohnfortzahlung versüßt. Auch setzte sich allmählich ein anderer Begriff von produktiver Arbeit durch, der nicht mehr am Profit orientiert war, sondern an der Nützlichkeit für das Gemeinwohl. Da sich die Löhne allmählich auf einem hohen Niveau anglichen, wird es für einen Stahlarbeiter nicht schwer aus seinem Beruf auszuscheiden und die städtischen Autos zu reparieren. (Die Differenz zwischen niedrigstem Lohn und höchstem Lohn, die im Kapitalismus 1 : 135 000 betrug, wurde zunächst auf 1 : 120 und schließlich auf 1 : 5 reduziert.)

  Andererseits wird durch die Reduktion der Arbeitszeit auf 4 Stunden pro Tag (20 Stundenwoche) eine neue Kultur der Freizeit geschaffen, die durch massenhafte Explosionen der Kreativkraft in Kunst, Literatur, Film und Musik, aber auch in einer Kultur der Gemächlichkeit sich äußerte. Billiger Konsum von Trivialitäten wie früher in der Kulturindustrie gibt es auch noch, aber wer etwas auf sich hält, eignet sich die bestehende und vergangene Weltkultur an. Natürlich gibt es auch noch Drecksarbeit, die keiner machen will. Die Abgeordneten einigen sich darauf, dass jeder Arbeitsfähige einmal im Jahr z.B. eine Woche bei der Müllabfuhr seiner Gemeinde tätig sein muss, selbst Professoren und Abgeordnete machen da mit. Die Mode wurde nicht abgeschafft, aber die Schnelligkeit ihres Wechsels auf den natürlichen Verschleiß reduziert. Man trug eben seine Hemden zwei Jahre anstatt eines. Im Übrigen konnte sich jeder seinen Stil selbst entwerfen oder individuell entwerfen lassen, denn die moderne Technik ermöglichte auch die Produktion von individuellen Zuschnitten.

  Die Beziehungen unter den Menschen verbesserten sich allmählich, die Entfremdung ging zurück, weil die ökonomische Konkurrenz unter den Leuten immer mehr zurückgedrängt wurde. Zwar preschten einige Jugendgruppen vor  und lebten in Kommunen der Liebe, aber die Masse der Menschen spürte, dass man Fernziele wie einen neuen Menschentyp nicht gegen den Stand der Mehrheit vorwegnehmen kann. Die Familie, wenn auch aufgeschlossener als früher, blieb der vorherrschende Typ des Zusammenlebens.

  Die neuen Verhaltensweisen untereinander mussten auch so eine konservative Instanz wie die Schule prägen. Schüler, Lehrer und Eltern selbst, nicht Erlasse und Verordnungen, initialisierten die Neuerungen. Der Unterricht und die Erziehung wurden allmählich entkoppelt von der Zurichtung von Arbeitskräften für die Industriegesellschaft. Man orientierte sich mehr an der Aneignung der Kultur als an der Ausbildung für den Konkurrenzkampf der Lohnarbeiter um die Arbeitsplätze. Zwar war Naturwissenschaft und Technik immer noch wichtig, schließlich war man auch von einer technischen Umwelt umschlossen. Aber solche Fächer wie Musik, Literatur und Kunst rückten nach vorn. Philosophie wurde in den höheren Jahrgängen zu einem Hauptfach. Man orientiert sich an den freien Künsten der Antike und des Mittelalters, ohne freilich deren Kanon zu übernehmen. Jedenfalls standen die Gegenstände im Zentrum des Lernens, die sehr vermittelt mit dem Berufsleben zu tun haben, dafür um so mehr mit der Menschenbildung. Auch die Wahlfreiheit der Schüler wurde größer: Sie lernten das, was lustvoll erschien. So können sie selbst die notwendigen Kulturtechniken dann lernen, wenn sie innerlich ihrem Lernrhythmus folgend dazu bereit waren. Selbstverständlich wurde der industriemäßige Turnus des 45-Minutentaktes abgeschafft zu Gunsten eines kontinuierlichen Lernens, das nur alle paar Tage oder gar Wochen den Gegenstand ändert. Sie Schüler konnten im Rhythmus von praktischer Erfahrung und theoretischem Lernen ihr Bildung sich aneignen. Moralisch war das Ziel der Erziehung die autonome Person, d.h. die Pädagogen versuchten sich im Erziehungsprozess überflüssig zu machen.

     

   Die wissenschaftliche Utopie von Marx meint eine reale Möglichkeit.

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Stand: 24. Juni 2005